Stark geschminkte Kinder in bunter Bergvolk-Kleidung bieten sich am Wat Phra That Doi Suthep gegen Bezahlung für Fotos an. Für 20 Baht gibt es ein Küsschen auf die Wange. Etwas außerhalb warten mehrere Frauen, die ihnen regelmäßig die Einnahmen abnehmen.
Die Tempelanlage auf dem Doi Suthep-Berg in Chiang Mai ist seit 1371 eine der heiligsten buddhistischen Stätten Thailands und ein beliebtes Ausflugsziel. Der Legende nach brachte einst ein Mönch eine Reliquie nach Chiang Mai, die jedoch in zwei Teile brach bevor man sie sicher aufbewahren konnte. Dass man nun nicht einfach beide Teile an einem Ort belassen konnte, versteht sich von selbst. Also wurde eine Hälfte einem weißen Elefanten aufgebunden, der nach einer dreitägigen Wanderung schließlich stehen blieb, drei mal trompete und dann tot umfiel. Damit war der neue Ort für die Reliquie gefunden.
Noch heute hat der Ort große Bedeutung für die Stadt. Jedes Jahr laufen tausende junge Studentinnen und Studenten gemeinsam zu Fuß die elf Kilometer auf den Berg hinauf, um ihren Respekt zu zollen und neue Kommilitonen in die Gemeinschaft aufzunehmen. Die verschiedenen Fakultäten tragen dabei einheitliche Kleidung und singen traditionelle Lieder. An diesem Morgen drängen sich jedoch hauptsächlich Touristen auf dem Parkplatz, zwischen Würstchen- und Waffelverkäufern, Souvenir-Ständen und Blumenhändlern.
Von hier führt eine von bunt schillernden Drachen gerahmte Treppe hoch zum eigentlichen Tempelbezirk. Auf den 200 Stufen stehen in einigen Metern Abstand mehrere stark geschminkte Kinder, deren auffällige Kleidung an thailändische Bergvölker erinnert. Jeweils zu Zweit warten sie gelangweilt und schlecht gelaunt auf Touristen, die für 20 Baht (~50 Cent) ein Foto mit ihnen machen. Wir finden das so grotesk, dass wir eine Weile auf der Treppe stehen bleiben, um zwei der Mädchen zu beobachten.
„Hello, you take a photo with me!“
Die Ältere ist vielleicht 10 Jahre alt, die Jüngere 8, aber das dicke Make-up macht das Schätzen schwer. Unter ihren Kostümen schauen Sporthosen und T-Shirts mit Comic-Figuren hervor. Beide haben Geldbeutel um die Hälse hängen. In ruhigen Momenten schauen sie apathisch in die Luft, aber sobald sich eine Gruppe Touristen nähert beginnen sie zu rufen: „Hello, you take a photo with me!“, immer und immer wieder. Dazwischen lange Sätze auf Thai und noch längere auf Chinesisch.
Viel zu viele Touristen setzen sich neben die Kinder. Einige umarmen sie und tätscheln ihnen sogar den Kopf (in Thailand eine Beleidigung, da der Kopf als Sitz der Seele gilt). Wie gut trainierte Äffchen gehen die Kinder dann durch ihre Routinen. Frauen bekommen ein Küsschen auf die Wange, Männern setzen sie ihre bunten Mützen auf den Kopf. Jede Bewegung wirkt mechanisch und perfekt einstudiert, selbst mit anderen Kindern posieren sie emotionslos. Ein Tourist ruft beglückt: „That are some well-trained kids!“, nachdem seine Frau die zwei Mädchen durch zig verschiedene Posen dirigiert hat.
Schnell wird uns klar, dass zu jedem Kinderpaar eine Frau gehört, die außerhalb der Treppe im Gebüsch wartet und den Kindern regelmäßig die Einnahmen abnimmt. Bei den beiden Mädchen, die uns am nächsten stehen, kommt es immer wieder zu Wortwechseln, da sie scheinbar Geld zurück behalten. Es sieht nich aus, als wäre die Frau die Mutter der Beiden, denn das Verhältnis ist alles andere als liebevoll. Einige Male greift sie selbst in die Geldbeutel, um sicher zu gehen, dass sie das gesamte Geld bekommen hat.
Nach einer Weile fühlen wir uns unter den zunehmend bösen Blicken der Frau etwas unwohl. Dieser Abschnitt der Treppe ist klar ihr Territorium. Ich habe nun auch schon mehr Fotos von den Kindern geschossen als selbst der ambitionierteste Japaner – ohne dafür zu bezahlen. Aber mit Geld unterstützen möchte ich diese Ausbeutung auch nicht. Irritiert und nachdenklich fahren wir zurück in die Stadt und genießen auf dem Rückweg noch den weiten Blick über Chiang Mai.
Die Schattenseite des Tourismus
So sichtbar wie hier am Doi Suthep sind die negativen Konsequenzen des Tourismus selten. Statt in die Schule zu gehen stehen hier junge Mädchen stundenlang auf einer Treppe und lassen sich fotografieren als wären sie exotische Ausstellungsstücke in einem Museum. Schade, dass wir so etwas als Gesellschaft ermöglichen. Denn ohne Nachfrage gäbe es auch bald kein Angebot mehr.